Einführung eines neuen “0 %-Steuersatzes” für Photovoltaik
Erstmals wird in Deutschland durch einen neuen § 12 Abs. 3 UStG ein sogenannter “0 %-Steuersatz” eingeführt, der für Leistungen im Zusammenhang mit bestimmten (kleineren) Photovoltaikanlagen gilt. Die Neuregelung ist für alle Leistungen anzuwenden, die ab dem 1.1.2023 ausgeführt werden.
Ein 0 %-Steuersatz unterscheidet sich von einer Steuerbefreiung einer Leistung dadurch, dass bei dem leistenden Unternehmer zwar keine Umsatzsteuer entsteht, er aber für alle damit im Zusammenhang stehenden Eingangsleistungen den vollen Vorsteuerabzug beanspruchen kann.
Erfasst werden von der Anwendung des 0 %-Steuersatzes die folgenden Leistungen nach § 12 Abs. 3 UStG:
Die Lieferung der Solarmodule einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage notwendigen Komponenten sowie von Speichern, die den erzeugten Strom speichern können, an den Betreiber der Photovoltaikanlage, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird.
Der innergemeinschaftliche Erwerb der begünstigten Gegenstände.
Die Einfuhr der begünstigten Teile.
Die Installation der Anlagen und Speicher für die begünstigten Anlagen.
Die Absenkung des Steuersatzes auf 0 % gilt nur für die Leistungen gegenüber dem Betreiber der Photovoltaikanlage. Die Lieferungen der Hersteller, Großhändler oder Einzelhändler an Personen, die nicht Betreiber der Photovoltaikanlage sind, unterliegen weiterhin dem Regelsteuersatz.
Weitere Voraussetzung ist, dass ein Zusammenhang mit der Privatwohnung, Wohnungen oder öffentlichen Gebäuden notwendig ist. Allerdings gelten diese Voraussetzungen (fiktiv) als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Anlage nicht mehr als 30 kW (Peak) nach dem Marktstammdatenregister beträgt.
Hinweis: Es gibt keine gesetzliche Definition von einer “Privatwohnung”. Gemeint ist hier offensichtlich die Wohnung des Unternehmers (z. B. bei Installation der Photovoltaikanlage auf dem Dach des Einfamilienhauses des Betreibers).
Ziel der Steueränderung bei Solaranlagen
Ziel der Regelung ist insbesondere die Verwaltungsvereinfachung, da Anlagenbetreiber – soweit sie nicht noch anderweitig unternehmerisch tätig sind – in Zukunft die Kleinunternehmerbesteuerung (§ 19 UStG) in Anspruch nehmen werden. Bisher wurde in diesen Fällen – obwohl meist die Umsatzgrenzen für die Kleinunternehmerbesteuerung eingehalten wurden – auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung verzichtet, um den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Photovoltaikanlage zu erhalten. Der Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung wird in Zukunft nicht mehr notwendig sein, wenn dem Unternehmer keine Umsatzsteuer aus der Anschaffung der Anlage berechnet wird. Damit werden im Gleichklang mit dem Ertragssteuerrecht diese Anlagen aus der Besteuerung weitestgehend herausgehalten. Es bleibt den Betreibern der Photovoltaikanlagen weiterhin unbenommen, auf die Kleinunternehmerbesteuerung zu verzichten, ein wirtschaftlicher Grund wird sich dafür aber kaum ergeben.
Nach der bisherigen Regelung müssen bei Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung aber weiterhin jährliche Umsatzsteuererklärungen abgegeben werden. Obwohl im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen wurde, ist das Thema der Abgabeverpflichtung für Kleinunternehmer nicht in das Gesetz mit aufgenommen worden. Ob die Finanzverwaltung diese Frage mit aufgreift (vorstellbar ist statt einer Angabe des Gesamtumsatzes der Vorjahre auch nur eine Angabe, dass der Gesamtumsatz nicht 22.000 EUR überschritten hat), muss abgewartet werden.
Neben dieser eher bürokratischen Vereinfachung kommt es für die ab dem 1.1.2023 angeschafften Anlagen aber in den Fällen, in denen erzeugter Strom für private Zwecke verwendet wird, zu einem positiven wirtschaftlichen Effekt, da der für private Zwecke entnommene Strom nicht mehr der Umsatzbesteuerung unterliegt; dies gilt unabhängig davon, ob die Kleinunternehmerbesteuerung in Anspruch genommen wird oder nicht.
Bisher führte die Entnahme von Strom aus einer dem Unternehmen zugeordneten Photovoltaikanlage zu einer fiktiv gegen Entgelt ausgeführten Lieferung, wenn der Unternehmer aus der Anlage den Vorsteuerabzug hatte. Bei Anschaffung ab dem 1.1.2023 ist kein Vorsteuerabzug aus der Anlage mehr möglich, sodass keine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG mehr vorliegen kann.
Bei der Beratung im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen sollte deshalb auf den Zeitpunkt der Lieferung und der Ausführung der sonstigen Leistung geachtet werden.
Hinweis: Im Regelfall liegt bei der Installation einer Photovoltaikanlage eine Werklieferung (§ 3 Abs. 4 UStG) vor, die mit Abnahme der Leistung ausgeführt ist. Zu diesem Zeitpunkt ist der maßgebliche Steuersatz für die Leistung festzustellen.
Wenn die Leistung erst nach dem 31.12.2022 ausgeführt und abgenommen wird, entsteht eine Umsatzsteuer von 0 %. Soweit schon im Jahr 2022 Anzahlungen (Vorauszahlungen) vereinnahmt wurden, die dem Steuersatz von 19 % unterworfen wurden, muss dies im Zeitpunkt der Ausführung der Leistung korrigiert werden. Dies gilt entsprechend für den Leistungsempfänger für einen evtl. vorgenommenen Vorsteuerabzug. Nach Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2022 können aber im Jahr 2022 erhaltene Anzahlungen auch schon mit 0 % Umsatzsteuer erfasst werden, wenn feststeht, dass die Leistung erst nach dem 31.12.2022 ausgeführt wird.
Sollten Personen eine begünstigte Photovoltaikanlage erwerben, die auch noch anderweitig unternehmerisch tätig sind, wird sich der gewünschte Vereinfachungseffekt der Kleinunternehmerbesteuerung nicht ergeben, da in diesem Fall die auf das einheitliche Unternehmen bezogene Gesamtumsatzgrenze von 22.000 EUR überschritten werden dürfte. Hier besteht in der Praxis Beratungsbedarf, die Photovoltaikanlage evtl. im Rahmen einer separaten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu erwerben und zu betreiben, die dann als eigenständiges Unternehmen die Umsatzgrenzen des § 19 UStG einhält.
Wo die “0%”- Regelung keine Anwendung findet
Keine Anwendung findet der 0 %-Steuersatz auf Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den ansonsten begünstigten Photovoltaikanlagen. Ein Grund dafür könnte darin bestehen, dass Photovoltaikanlagen regelmäßig wartungsarm sind. Instandsetzungen (z. B. nach Hagelschäden) dürften dann aber wieder als “Lieferung von Solarmodulen” unter die Begünstigung fallen. Ebenfalls ergibt sich keine Absenkung des Steuersatzes auf 0 %, wenn eine Photovoltaikanlage an einen Betreiber vermietet wird.
Nur bei Aufrüstung bestehender Gebäude durch Solarpanel / Solaranlagen
Besonders zu beachten ist, dass sich der gewünschte Vereinfachungseffekt wohl nur ergeben wird, wenn es sich um die nachträgliche Installation einer Photovoltaikanlage auf einem schon bestehenden Gebäude handelt. In diesem Fall stellt die Photovoltaikanlage eine eigenständige wirtschaftliche Einheit dar, die für die Umsatzsteuer unabhängig vom Gebäude zu betrachten ist. Anders ist die Rechtslage, wenn eine Photovoltaikanlage gleich zusammen mit einem Neubau eines Gebäudes errichtet wird. In diesem Fall vertritt die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 20.10.2022, mit Hinweis auf den geänderten Abschn. 15.17 Abs. 6 UStAE) die Auffassung, dass die Beurteilung sich nach ertragsteuerrechtlichen Gesichtspunkten richtet. Soweit ertragsteuerrechtlich von einheitlichen Herstellungskosten auszugehen ist, würde eine einheitliche Aufteilung der gesamten auf die Herstellungskosten entfallenden Umsatzsteuer des Gebäudes in Betracht kommen. In diesem Fall würde über einen sinnvollen Aufteilungsmaßstab nachzudenken sein (die Finanzverwaltung schlägt dazu ein zweistufiges Modell vor) und zu beachten sein, dass – da dann ein Gebäudebestandteil vorliegen würde – der Vorsteuerberichtigungszeitraum 10 Jahre (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG) betragen würde. Die Überlegung ist besonders dann relevant, wenn ein Mietwohnhaus errichtet wird, das insgesamt dem Unternehmern zuzuordnen ist; bei einem selbst genutzten Einfamilienhaus wird hier i. d. R. der Betreiber an der 10 %-Grenze (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) scheitern.